Traumprotokoll: Zu spät für das System

Traumprotokoll: Zu spät für das System
Protokolliert zwischen Bettkante und Beweislast.


Der Wecker klingelt.
Ich höre ihn nicht.
Ich komme zu spät zur Arbeit.

Das ist mein Standard-Albtraum.
Dreimal pro Woche, mindestens.

Warum?
Niemand weiß es.
Ich bin seit Jahren pünktlich.
Exakt einmal bin ich eingeschlafen –
und das war ein anderes Leben.

Trotzdem sitzt mir die Angst im Nacken.
Wie ein Timer mit stiller Eskalationslogik.

Als wäre es eine Schwäche,
dass mein Körper überhaupt Schlaf braucht.

Als würde es als Charakterschaden gelten,
wenn ich mich nicht zu 100 % im Griff habe.

Als hinge das Weltgleichgewicht
an meinem pünktlichen Erscheinen.

Es ist nicht der Schlaf, der mir Angst macht.
Es ist das Urteil darüber.

Und der nette Nebeneffekt:
Wenn der Wecker dann wirklich klingelt –
stehe ich senkrecht im Bett.
Mit Cortisol statt Kaffee.


Der Albtraum hat seinen Zweck erfüllt.
Ich habe nichts verpasst.
Außer vielleicht mich selbst.