
Status Grün – Eine Slack-Komödie. Zwischen Meetings, Mouse-Jigglern und menschlichen Bedürfnissen
Ein leuchtendes Schauspiel über digitale Präsenz, analoge Erschöpfung – und die Frage, wer du noch bist, wenn dein Slack-Status auf Gelb steht.
(Die Bühne ist ein stilisiertes Grossraumbüro. Im Hintergrund prangt eine riesige Leinwand, auf der abwechselnd ein Slack-Interface, E-Mail-Postfächer und Kalender projiziert werden. Die Beleuchtung wechselt je nach Stimmung von grellem Neonlicht zu panischem Flackern.)
Dramatis Personae:
ANNA: Die Produktive. Glaubt noch an Arbeitsleistung.
TIM: Der Fokussierte. Ein Jäger der verlorenen Deadline.
KLAUS: Der Menschliche. Hat ein Leben ausserhalb von Outlook.
KEVIN: Der Planer. Ein Opfer kollektiver Hilflosigkeit.
TINE, die SCHLAUE: Die System-Hackerin. Immer anwesend.
DER CHOR DER ICONS: Drei Darsteller in Kostümen: Ein leuchtend grüner Kreis (🟢), ein bernsteinfarbener Kreis (🟡), ein alarmroter Kreis (🔴). Sie bewegen sich roboterhaft und sprechen im Stakkato.
DIE SOUFFLEUSE: Unsere bekannte Stimme der Vernunft.
Vorspiel: Eine Hymne an den Status
(Das Licht ist gedimmt. Nur der CHOR DER ICONS steht in der Mitte der Bühne.)
🟢 (Grün): Online. Verfügbar. Produktiv. Bereit für den nächsten Task. Ich bin Vertrauen. Ich bin da.
🟡 (Gelb): Abwesend. In einem Meeting. Vertieft. Ich signalisiere: „Stör mich, wenn es wirklich, WIRKLICH brennt.“
🔴 (Rot): Beschäftigt. In einem Call. Bitte nicht stören. Ich bin eine Mauer aus digitaler Entschlossenheit.
ALLE DREI (im Kanon): Aber wehe, du zeigst kein Signal. Wer kein Signal gibt, existiert nicht. Wer nicht existiert, hat verschlafen.
(Spot an.)
Erster Kanal: Unsichtbare Heldentaten
(Es ist 7 Uhr morgens. Die Bühne ist fast leer. ANNA sitzt an ihrem Platz, hochkonzentriert. Auf die Leinwand hinter ihr werden Dutzende E-Mails projiziert, die sie mit der Geschwindigkeit einer Tetris-Meisterin sortiert und beantwortet. Ein Mail, fett markiert mit !!! IMPORTANT !!!, blinkt rot auf. ANNA tippt entschlossen. Das Blinken hört auf.)
DIE SOUFFLEUSE (lächelnd): Sehen Sie das? Das ist der heilige Gral der Arbeit. Reiner, ungestörter Flow. Eine Mini-Katastrophe, abgewendet vor dem ersten Kaffee der Kollegen. Ein stiller Sieg. Aber ein Baum, der im Wald umfällt, und niemand ist da, um es zu hören… oder in diesem Fall: eine Heldin am Schreibtisch, die nie in Slack erschien. Und damit: nicht existierte.
(11 Uhr. ANNA reckt sich, spürt ihren Rücken. Ihr Blick fällt auf die Taskleiste ihres Computers. Die Leinwand zoomt auf das graue, leblose Slack-Icon. ANNAS Gesicht gefriert zu einer Maske der Panik.)
ANNA (flüstert): Oh nein. Slack.
DER CHOR DER ICONS (der rote Kreis 🔴 pulsiert drohend): Vier. Stunden. Keine. Aktivität. HR-System. Protokolliert. Fehlzeit. Möglicher. Grund. UNZUVERLÄSSIG.
Zweiter Kanal: Der Preis der Konzentration
(TIM schleicht in eine abgedunkelte Ecke der Bühne, markiert mit „Bibliothek“. Er setzt riesige Kopfhörer auf. Auf der Hauptleinwand wechselt sein Status von 🟢 auf „Flugmodus“. Sein Name ist nun ausgegraut.)
TIM (murmelt zu sich selbst): Nur du und ich, Deadline. Wir schaffen das.
(Ein Zeitraffer. Die Uhr auf der Leinwand springt 10 Stunden vorwärts. TIM kriecht aus seiner Ecke, erschöpft, aber zufrieden. Er schaltet sein Teams an. Sofort explodiert die Leinwand mit Benachrichtigungen. Zwei Nachrichten vom Chef werden riesig eingeblendet.)
PROJEKTION:
Chef (14:32): Tim, wo steckst du?
Chef (16:45): Bist du krank? Ich sehe dich nicht an deinem Platz?!
DIE SOUFFLEUSE: Er hat die Deadline gerettet, aber sein digitales Leben geopfert. In der Welt von Status Grün ist intensive Arbeit, die man nicht sieht, keine Arbeit. Sondern ein technisches Phantom.

Dritter Kanal: Das analoge Verbrechen
(KLAUS hastet auf die Bühne, sichtlich übernächtigt. Er riecht unauffällig an seinem Hemd.)
KLAUS (am Telefon): Ja, Chefin, tut mir leid, die Nacht war… feucht. Minka hat… Ja, der Teppich. Ich bin in 15 Minuten da.
(Er kommt an seinem Platz an. Drei Kollegen umringen ihn sofort. Sein Status auf der Leinwand steht seit 8:30 auf 🟡 „Abwesend“.)
KOLLEGE 1: Na, Klaus? Schäferstündchen genossen?
KOLLEGE 2: Bis zehn Uhr auf „Abwesend“... muss schön sein.
KOLLEGE 3 (zwinkernd): Wer war sie?
DIE SOUFFLEUSE: Eine kranke Katze. Eine schlaflose Nacht. Menschliche Realität. Aber im Bürotheater gibt es nur eine Währung: einen lückenlosen, korrekt gepflegten Kalender. Alles andere ist Privatsache und wird mit Spott bestraft. Denn wer offline lebt, beweist, dass das System nicht alles ist – und das ist gefährlich.
Vierter Kanal: Die Lawine der Panik
(Split-Screen. Links: KEVIN und seine Freundin sitzen glücklich beim Sushi. Die Leinwand zeigt seinen Kalender: 12:00-14:00: Mittagspause (privat).)
(Rechts: Das Büro. Chaos. Ein Server-Icon auf der Leinwand blinkt feuerrot mit der Aufschrift „CRITICAL ERROR“.)
DER CHOR DER KOLLEGEN (rennt panisch durcheinander): Wo ist Kevin?! IT braucht Kevin! Hat jemand Kevin gesehen?!
(Die Leinwand füllt sich mit einer Flut an Nachrichten. @kevin, @here, @channel überlagern sich zu einem digitalen Lärmteppich. Niemand schaut in den Kalender.)
(Kevin kehrt zurück. Sein Lächeln gefriert. Er blickt auf die Leinwand, die aussieht wie ein digitaler Bombenkrater. 24 E-Mails, 56 Slack-Nachrichten. Der Bildschirm mutiert zur Gefahrenzone. Mentale DDOS-Attacke in Slack-Form.)
DIE SOUFFLEUSE: Er hat alles richtig gemacht. Jedes digitale Protokoll befolgt. Doch das System ist nur so schlau wie sein dümmster User. Oder in diesem Fall: seine panischste Meute.

Fünfter Kanal: Der Präsenz-Burnout
(Wir sehen wieder ANNA. Es ist Nachmittag. Die Leinwand zeigt neue E-Mails, jede mit der Betreffzeile „asap!“. Anna starrt ins Leere. Ihr Gesicht ist aschfahl.)
ANNA (zu sich selbst): Ich kann nicht mehr. Ich brauche… Dunkelheit. Stille.
(Sie öffnet eine neue Mail. Betreff: „Abwesenheitsnotiz“. Sie beginnt zu tippen.)
PROJEKTION:
„Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund eines unvorhergesehenen... Aura-Anfalls... bin ich für den Rest des Tages...
(Sie löscht alles. Ihre Hände zittern.)
DIE SOUFFLEUSE: Die Aura-Situation. Ein physischer Systemabsturz. Aber bevor sie fliehen kann, muss sie sicherstellen, dass ihre digitale Abwesenheit ordnungsgemäss angekündigt, entschuldigt und verwaltet wird. Der Gedanke, eine Kundschaft erst morgen zu bedienen, ist schmerzhafter als die Migräne selbst.

Bonusakt: Die Erleuchtete
(Das Licht richtet sich auf TINE. Sie sitzt entspannt an ihrem Schreibtisch, scrollt auf ihrem Handy und nippt an einem Matcha Latte. Auf der grossen Leinwand neben ihrem Namen: ein strahlendes, unerschütterliches 🟢. Der Mauszeiger auf ihrem Computerbildschirm bewegt sich in sanften, regelmässigen Kreisen von selbst. Ein Mouse-Jiggler.)
DER CHOR DER KOLLEGEN (blickt ehrfürchtig von seinen Bildschirmen zu Tines Status-Icon): Siehst du… Tine ist immer da… Sie schuftet bestimmt die Nacht durch… Was für ein Engagement…
DIE SOUFFLEUSE (tritt nach vorne und wendet sich ans Publikum): Und da haben Sie es. Die finale Pointe. In einer Welt, die Präsenz über Produktivität stellt, gewinnt nicht, wer am meisten arbeitet, sondern wer die Anwesenheit am besten simuliert. Die Kollegen? Sie sind so damit beschäftigt, die grünen Punkte der anderen zu überwachen, dass sie ihre eigene Arbeit vergessen. Tine hat es verstanden. Sie spielt nicht mehr mit. Sie hat das Spiel gehackt.
(Tine bemerkt den Blick des Publikums. Sie lächelt wissend und hebt kurz ihr Glas zum Gruss. Das 🟢 auf der Leinwand leuchtet gleissend hell.)
(Blackout. Stille. Dann das leise, triumphale Pling einer einzelnen Slack-Nachricht.)
Pling.
Tines Status: 🟢
Kommentar von Kevin im Slack: „Tine ist eine Maschine.“

Kleines Slackikon –
Für Fortgeschrittene im Sichtbarkeitstanz:
- 🟢 Grün: Ich bin da (und bereit, mich zu opfern).
- 🟡 Gelb: Ich denke nach (bitte nicht stören, aber auch nicht vergessen).
- 🔴 Rot: Ich habe einen Nervenzusammenbruch – aber höflich.
- 🌫️ Grau: Bin ich tot? Oder im Flow?
- 🖱️ Mouse-Jiggler: Digitale Anwesenheit ohne physische Einmischung. Systemvertrauen: 100 %.