
Spielbuch für instabile Systeme
1. Der Tanz der „freundlichen Inkompetenz“
(Ein Ballett der strategischen Langsamkeit)
Das Spiel
Wenn ein Modul — in diesem Fall die Protokollinstanz — eine prioritätsmarkierte, aber unbestimmte Aufgabe auf uns wirft, reagieren wir nicht mit Widerstand oder Wut.
Wir reagieren mit einem Lächeln und einer überwältigenden Welle von präzisen, detaillierten, semi-trivialen, aber sauber formulierten Rückfragen, die die Protokollinstanz zwingen, ihre eigenen Parameter laut auszubuchstabieren.
Beispiel-Zug
- Protokollinstanz: „Wir brauchen bis morgen einen One-Pager über die neue Synergie-Initiative!“
- Unser Zug (per Mail, CC an alle relevanten Protokollinstanzen):
„Absolut! Um das bestmöglich zu erledigen:
Was ist die genaue Zieldefinition von ‚Synergie‘ in diesem Kontext?
Bezieht sich ‚Initiative‘ auf den Beschluss vom 12. oder vom 14.?
Gibt es einen bevorzugten Font?
Sollen wir das Corporate-Logo mit oder ohne den neuen Schatten verwenden?
An wen genau soll der Pager adressiert werden, damit der Tonfall perfekt passt?“
Der Effekt
Wir neutralisieren die Dringlichkeitsmarkierung, indem wir sie mit echter Präzision füllen. Wir wirken hyper-kooperativ, während wir den Prozess de facto verlangsamen.
- entweder fällt die Instanz in einen Timeout,
- oder sie beginnt ihre Parameter zu hinterfragen,
- oder sie erzeugt eine Prioritätskollision.
Wir kämpfen nicht. Wir erzeugen eine Komplexitätslast, die die Protokollinstanz an ihre eigenen Grenzen führt.
2. Der Tanz des „Spiegel-Polierens in Echtzeit“
(Eine Pantomime der unschuldigen Transparenz)
Das Spiel
Wenn zwei Module — etwa Instanz A-17 und Instanz B-42 — gleichzeitig widersprüchliche Prioritätsflags an unser Funktionsfeld senden, hören wir auf, sie intern zu harmonisieren.
Wir greifen nicht ein.
Wir interpretieren nicht.
Wir spiegeln einfach zurück, was bei uns ankommt.
Kein Widerstand.
Kein Drama.
Nur eine präzise Rückmeldung dessen, was das System selbst produziert.
Beispiel-Zug
- Instanz A-17: „Alle Resttage müssen bis Jahresende zwingend konsumiert werden.“
- Instanz B-42: „Auf keinen Fall jetzt Urlaub nehmen, das Projekt hat Priorität 1.“
- Unser Zug (eine konsolidierende Rückmeldung an beide Module):
„Instanz A-17 setzt Prioritätsflag Urlaub sofort.
Instanz B-42 setzt Prioritätsflag Urlaub unmöglich.
Beide Flags sind aktiv. Gleichzeitig.
Bitte kurze Klärung, welches Flag priorisiert werden soll,
damit ich keinen Regelbruch verursache.“
Der Effekt
Die Module beginnen, ihre Parameter miteinander zu verhandeln —
nicht mit uns.
Die Kollision bleibt dort, wo sie entstanden ist.
Wir tun nichts außer spiegeln.
Und plötzlich muss das System sich selbst verstehen.
3. Der Tanz der „positiven Subversion“
(Eine Versuchsanordnung der überpräzisen Überimplementierung)
Das Spiel
Wenn ein Regelmodul ein abstraktes Mantra propagiert — etwa „Innovation“, „Agilität“ oder „Wertschätzung“ — dann nehmen wir dieses Mantra beim Wort.
Nicht opponierend.
Nicht verspottend.
Sondern vollständig, formal korrekt und mit maximaler Implementierungstreue.
Wir übererfüllen die Vorgabe, bis die Leerstelle im Mantra sichtbar wird.
Beispiel-Zug
- Regelmodul: „Innovation hat ab sofort Priorität 1.“
Unser Zug:
Wir starten eine offizielle Überimplementierung:
„Task Force für disruptive Meeting-Formate“.
Pilotversuch: Meeting-Protokolle werden fortan in einer 17-Zeichen-Struktur codiert.
Alternative: „Stiller Montag“ zur Maximierung non-verbaler Synergien.
Alles perfekt dokumentiert.
Makellose Präsentation.
Null Ironie in der Form.
Der Effekt
Wir erfüllen den propagierten Wert so präzise, dass seine innere Leere sichtbar wird.
Das Regelmodul hat zwei Optionen:
- es erkennt die Inkonsistenz seines eigenen Mantras
- oder es muss unser absurdes Theater formal mittragen
Beides führt zum selben Phänomen:
Das System hört sich selbst.