Laborkosmetik™ – Zahlen, die hübsch aussehen, aber nichts bedeuten

Ein bisschen zu wenig Vitamin D? Kann schon mal vorkommen.
TSH normal, aber du funktionierst nicht? Wird schon psychisch sein.
Labor normal = Mensch gesund – klingt doch logisch, oder?
Spoiler: ist es nicht.
Es beginnt mit einem Arzttermin, einer vagen Vermutung und dem heiligen Gral der modernen Medizin: Laborwerte.
„Wir testen Sie mal durch.“ – Musik in meinen Ohren! Endlich wird herausgefunden, was nicht stimmt, endlich werden Zahlen, Daten, Fakten gesammelt! Das Problem? Es kommt darauf an, was getestet wird.
Denn manchmal fühlt sich ein großer Bluttest weniger an wie eine detektivische Ursachenforschung und mehr wie eine Feng-Shui-Anpassung der Laborwerte, damit sie hübsch ins System passen. Laborkosmetik™ – das Makeover für deine Blutwerte.
Der große Test – oder: Hohe Rechnung für „Da ist nichts“
Ich sitze beim Spezialisten, der mir mit ernster Miene erklärt, dass wir mal mein Immunsystem durchchecken sollten. Klingt vernünftig. Bis die Rechnung kommt.
Aber hey – wenn man schon so viel zahlt, dann kriegt man ja auch brauchbare Antworten, oder? 🤡
Laborauswertung:
- Alles perfekt im Referenzbereich.
- Einziges „Auffälliges“: Vielleicht eine leichte Tendenz zu Gluten-Unverträglichkeit.
Ich: „Ah, okay. Gut zu wissen! Ich esse aber seit zwei Jahren kein Gluten mehr, weil ich davon abartige Rückenschmerzen kriege.“
Arzt: „Ja dann... essen Sie doch einfach zwei Wochen lang wieder Brot! Dann kann ich Ihnen sagen, ob Sie wirklich eine Unverträglichkeit haben.“
Versteh ich das richtig? Ich soll absichtlich etwas essen, das mir vermutlich schadet, nur damit es im Labor „sichtbar“ ist?!
Wenn Zahlen wichtiger sind als der Mensch
Ich frage nach anderen Werten. „Wie sieht es mit Vitamin D aus?“ – Wurde nicht getestet.
„Omega-3? B-Vitamine? DAO?“ – Auch nicht.
„Warum nicht?“
Arzt: „Das gehört nicht zur Standarddiagnostik.“
Ah, okay. Aber ein Deluxe-Test für Werte, die am Ende keine Konsequenz haben, ist also Standard? Verstanden. 🧐
Wenn Panik schneller ist als der Verstand
Du gehst zum Routine-Check, denkst alles ist in Ordnung und dann kriegst du von deiner Ärztin einen panischen Anruf:
„Ihr Nierenwert ist katastrophal!
Sie müssen heute noch ins Krankenhaus!!“
Statt mein Köfferchen zu packen, habe ich die Sache kurz gegoogelt: Standard-Nierenwerte sind nicht aussagekräftig, wenn Kreatin supplementiert wird.
Statt Dank für die kostenlose Weiterbildung kriege ich zu hören: „Ich dachte, das nehmen nur Männer“.
TSH im Schönheitsfilter – alles gut, außer dir
Ich hab da so einen Satz gesammelt, gehört von mindestens fünf Fachpersonen:
„Ihr TSH ist normal – also ist alles gut!“
Was nicht normal war:
- Gewichtszunahme ohne ersichtlichen Grund.
- Kälteempfindlichkeit auf Pinguin-Level.
- Hirnnebel deluxe, auch mit ausreichend Schlaf.
- Und ein Körpergefühl wie im Notstrombetrieb.
Erst außerhalb des Systems wurde überhaupt sichtbar, was los war.
FT3, FT4: im Keller
TPO-Antikörper: jenseits von Gut & Böse.
Die Schilddrüse selbst: winzig, das Gewebe zerstört.
Die empfohlene Behandlung?
„Einfach alle zwei Jahre kontrollieren, ob der TSH steigt.“
Klar.
Und in der Zwischenzeit joggen gehen.
Vielleicht war ich eine Anomalie.
Vielleicht war das System der Fehler.
Beides denkbar.
Die Magie des Referenzbereichs™
Ein Klassiker:
Dein Wert liegt haargenau 0,01 über der Untergrenze? „Alles in Ordnung!“
0,01 darunter? „OH MEIN GOTT, MANGELZUSTAND! PANIK!“
Plötzlich brauchst du eine Therapie, eine Nachkontrolle, vielleicht sogar Medikamente – nur weil du an diesem einen Tag einen halben Salatkopf zu wenig gegessen hast. Aber wehe, du fühlst dich chronisch schlecht, obwohl deine Werte im Referenzbereich sind. Dann ist das halt einfach Pech.
Noch absurder? Selbst wenn ein Wert leicht aus der Norm fällt, gibt es immer eine Standard-Ausrede:
- „Sie haben sicher nicht genug getrunken.“ (Weil Wassermangel natürlich selektiv nur EINEN Wert beeinflusst.)
- „Das kann schon mal schwanken.“ (Danke, Captain Offensichtlich.)
- „Das kann auch einfach ein Laborfehler sein.“ (Praktische Allzwecklösung.)
Aber wehe, du fragst nach optimalen Werten. Dann wird es auf einmal esoterisch. „Optimal“ gibt es nämlich nicht, solange du nicht auf dem Boden liegst und blutest. 🩸🤡
Fazit – oder: Warum du am Ende doch wieder selbst nachforschen musst
Labortests könnten ein mächtiges Werkzeug sein, um herauszufinden, was wirklich im Körper passiert – doch stattdessen fühlen sie sich oft an wie ein hochpreisiger Schönheitsfilter für dein Blutbild. Hauptsache, die Zahlen passen ins Raster. Hauptsache, der Bericht sieht aus, als hätte dein Körper sich freiwillig an ein Excel-Sheet angepasst.
Und falls du trotzdem Beschwerden hast? Nun ja – dann liegt das Problem wohl eher an deiner Einstellung als an deinem Stoffwechsel, oder? 🤡
Denn solange dein Laborbild ein perfektes Instagram-Selfie der medizinischen Welt bleibt, interessiert es niemanden, ob du dich fühlst, als wärst du in der Dauerschleife eines schlechten Horrorfilms. Aber hey, wenigstens ist dein Ferritin auf der Skala! 🎉 😏
Details lasse ich bewusst aus –
nicht aus Scham, sondern aus Verantwortung.
Denn was mir hilft, muss nicht für dich passen.
Aber wenn du dich in diesen Zeilen wiedererkennst –
dann bist du nicht allein.
Und vielleicht: nicht falsch.