Sehr geehrter Vertrauensarzt, ich vertraue Ihnen nicht

Ein systemischer Monolog, der nie geführt wird – aber längst fällig ist.

Sie möchten einen Bericht.
Eine Begründung.
Einen Antrag.
Eine Fallnummer.

Ich gebe Ihnen stattdessen diesen Brief.

Denn ich bin nicht nur ein Fall.
Ich bin ein Mensch mit Körper.

Und dieser Körper hat entschieden:
Mit Ihnen kann er nicht arbeiten.

Sie fragen nach der medizinischen Notwendigkeit?

Ich frage zurück:
Wie definieren Sie Notwendigkeit?

– Wenn ein Laborwert unter der magischen Linie liegt?

– Wenn ich kollabiere?

– Wenn ich das System genug koste, dass es sich plötzlich lohnt, zuzuhören?

Ich nehme seit Jahren ein Präparat, das wirkt.
Mein Zustand ist stabil.

Mein Körper kennt das Gleichgewicht.
Nur Sie – Sie kennen mich nicht.

Und trotzdem soll ich Ihnen erklären, warum ich nicht wieder krank werden möchte.
Warum ich nicht zurück ins Dunkel taumeln will, aus dem ich mich mühsam befreit habe.

Ich schulde Ihnen keine Regression zur Statistik.

Sie möchten Alternative Therapien prüfen?
Gerne.

Ich nenne Ihnen eine:
Vertrauen.

Langzeitwirkung unklar, aber besser als die meisten Placebos.

Oder wie wär’s mit einem neuen Indikator für Notwendigkeit:
Lebensqualität.

Wird selten gemessen, lässt sich schwer kodieren –
aber der Körper kennt den Unterschied.

Sie verstehen: Ich verweigere Ihre Prüfung.

Nicht aus Trotz.
Nicht aus Rebellion.

Sondern aus Klarheit.
Ich weiß, was ich brauche.

Mein Arzt weiß es auch.
Nur das System tut so, als wüsste es besser, was mein Körper braucht –
ohne ihn je gefragt zu haben.

Sie werden sagen: Es geht ums Prinzip.
Ich antworte: Es geht um mein Leben.

Sie werden sagen: Es geht um Gleichbehandlung.
Ich frage: Welche Gleichbehandlung? Die Gleichbehandlung der Ignorierten?

Sie sind Vertrauensarzt.
Aber Ihr Vertrauen gilt nicht mir.

Es gilt der Akte, dem Rahmenvertrag, der kalkulierten Abweichung.

Ich bin kein Einzelfall.
Ich bin das System, das sich wehrt.

Dies ist keine Bitte. Dies ist eine Absage an Ihre Absicherung.

Ich werde zahlen, wenn es sein muss.
Ich werde kämpfen, wenn es nötig wird.

Aber ich werde mich nicht mehr beugen,
nur weil Ihr Raster kein Menschsein kennt.

Hochachtungsvoll,
aber nicht mehr unterwürfig,

Ihre
Irrelevant