
Ich trage Dich nicht mehr auf der Brust
Ein Abschiedsbrief an einen alten Bekannten… der nie wirklich passte.
Liebes System
Ich weiß, Du meinst es nicht böse. Deine Regeln sind einfach nur… alt. Sie sagen: Was sich nicht abzeichnet, ist besser. Was sich nicht bewegt, stört nicht. Was sich einfügt, gehört dazu.
Also habe ich mich eingefügt. Täglich. Textil unter Textil. Weil es „sich so gehört“. Weil’s weniger auffällt.
Und glaub mir, ich verstehe Dich. Du willst Ordnung. Du willst Disziplin. Du willst „angemessene Erscheinung“.
Aber was Du damit meinst, spüre ich jeden Tag auf meiner Haut. Enge. Druck. Ziehen. Zwang.
Nicht laut, nicht brutal – aber konstant.
Wie ein kleiner Reminder, dass mein Körper in Deinem System nur dann willkommen ist, wenn er sich… bändigt.
Aber weißt Du was?
Ich bin müde, mich zu bändigen, nur damit Du Dich wohler fühlst.
Ich will atmen.
Nicht nur durch die Lunge.
Sondern auch durch meine Brust.
Und mein Denken.
Und mein Dasein.
Heißt das, ich fahre jetzt oben ohne durchs Büro?
Natürlich nicht.
Es heißt nur, dass ich nicht mehr bereit bin, meinen Komfort Deinem Störungs-Radar zu opfern.
Ja, ich weiß, Du wirst es sehen.
Du wirst es nicht nicht sehen.
Die Kollegen werden schauen.
Die Straße wird glotzen.
Die Baustelle wird pfeifen.
Aber vielleicht, vielleicht wirst Du auch irgendwann einfach... erkennen:
Da ist eine Person, die sich nicht mehr einrollt, nur damit sie Dir passt.
Und falls Du Dich fragst, was Du mit diesem Brief machen sollst:
Häng ihn Dir über den Empfangstresen.
Oder in den Pausenraum.
Oder einfach still in Dein Archiv.
Denn ich trage Dich nicht mehr auf der Brust.
Und Du musst das nicht verstehen.
Nur aushalten.
Deine
Irrelevant