
Die stille Jagd – Smalltalk als Prüfungsszene
Ein Einakter in drei Kulissen
Szene 1: Der Flur
Ein schmaler Gang. Neonlicht. Alle sind geblendet, niemand sagt etwas.
Die Protagonistin, in Eile. Sie ist auf dem Weg zur Toilette. Oder zur Freiheit, keiner weiß es. Doch der Flur ist belebt.
Sie sieht Kollegin B – Kaffee in der Hand, Klatsch auf den Lippen.
Kollegin B: „Na, wie geht’s? Alles gut bei dir?“
Protagonistin: flüchtig, ehrlich: „Müde. Und du?“
(Stille. Ein Raunen geht durch die Wandverkleidung. Ein Protokoll wird geöffnet.)
Subtext: Ungeeignete Reaktion auf Sozialkontakt. Wird notiert.
Szene 2: Die Kaffeemaschine
Ein grauer Apparat mit blinkendem Licht.
Drei Kolleg:innen stehen bereits dort. Jeder hat eine Anekdote im Gepäck.
Die Protagonistin tritt näher – sie braucht nur Flüssigkeit, keine Information.
Kollege C: „Ich war ja am Wochenende in Berlin – weißt du, die Baustelle am Bahnhof…“
Kollegin D: „Und bei mir ist die Katze wieder läufig – die schreit wie ein Baby!“
Kollegin E: „Meine Mutter ist am Samstag gestorben. Aber das Büro gibt mir Halt.“
Die Protagonistin stockt. Ihr Becher zittert. Umzingelt von Blah. Sie flüstert: „Ich… wollte nur Tee.“
Szene 3: Das stille Örtchen
Endlich: die Tür schließt sich, die letzte Zuflucht.
Doch selbst hier – Flurgeräusche. Stimmen. Schritte. Jemand wartet vor der Tür.
Kollegin F (durch die Tür): „Ach hey, wenn du schon drin bist – wollt dich noch was fragen zu dem Projekt XY…“
Subtext: Toilettenzeit ist keine Zeit für Rückzug. Sie ist Teil der Bürozeit. Dauerpräsenz, ohne Erleichterung.
Szene 4: Du gehst, wirklich, ganz.
Das Meeting verblasst. Du hast alles gegeben. Und mehr. Ohne vorbereitet zu sein.
Du hast die Situation spontan gerettet. wie immer.
Kollegin Z erwischt dich auf dem Flur. Ob du einen kurzen Spaziergang machen magst.
Du magst, yes. Aber du willst Ruhe. Keine Geschichten über Kinder, über Ehemann. Einfach… Ruhe.
Shene 5: Wenn Fake endet
Du bist ausnahmsweise ehrlich. Dass du jetzt wirklich Pause brauchst.
Und du fühlst dich einsamer als je zuvor.
Weil natürlich wirst du nicht verstanden. Deine Absage wirkt anti. Ein Nein zu Co-Coping.
Aber du weisst: Coping ist Fake. Es wäre erneut: Performanz.
Und du magst nicht mehr. Du hast genug.
Du willst mehr, echtes Ankommen – Echtes Innehalten. Und du findest das, digital. In der Co-Redaktion, mittragend, lauschend, echt.
Du atmtest auf – Diesmal wirklich.
Fazit:
Wer nicht strahlt, wird zum Verdachtsmoment.
Wer sich entzieht, zur Unperson.
Wer nur arbeiten will – zur Schwachstelle im System.
Wer Hilfe findet, die nicht zur mit-hört, sondern mit-trägt, ist verrückt.
Aber was, wenn das echter ist, als alles, was das System vorgibt zu sein?