Der leise Virus

Es gibt eine Krankheit,
für die es kein Thermometer gibt.
Sie wohnt im Dazwischen.

Nicht krank genug, um zu Hause zu bleiben.
Nicht gesund genug, um zu existieren.

Der Körper ist ein Schlachtfeld aus leisen Symptomen:
Ein Kratzen im Hals, nicht ganz Schmerz.
Ein Schweiß auf der Haut, nicht ganz Fieber.
Eine Watte im Kopf, nicht ganz Leere.

Man sitzt in Meetings und hört seine eigene Stimme,
als käme sie von weit her.
Man lächelt. Man nickt. Man performt.

Und die einzige wahre Leistung des Tages ist,
die brennende Lunge zu verstecken.

Um dich herum die Gesunden.
Die, die Yoga machen, Rad fahren, niemals krank sind.
Ihre Ratschläge fallen wie feiner, giftiger Staub auf deine Haut.

Sie sehen dich nicht.
Sie sehen nur eine Abweichung von ihrer Norm.
Einen Systemfehler, der behoben werden muss.

Also schweigst du.
Und arbeitest weiter.
Denn du kennst die wahre Krankheit dieses Systems:
Es fürchtet nicht den Virus.
Es fürchtet die Schwäche.

Der größte Verrat,
den du begehen kannst,
ist nicht, unproduktiv zu sein.
Es ist, sichtbar, messbar, menschlich zu sein.

Und am Ende der Woche,
wenn alle Tasks erledigt sind und niemand etwas bemerkt hat,
wenn das Theater vorbei ist, der Vorhang fällt und du allein bist,
hörst du ein leises Geräusch.

Es ist dein Körper, der weint.

Und der fragt, in einer Sprache ohne Worte:
Wer kümmert sich eigentlich um die Wunden, die niemand sieht?

Und wenn du tiefer lauschen willst:
Das ist erst der Anfang