Der Duft der Freiheit

Ein Gedankenspiel in drei Atemzügen.


Erster Atemzug: Zwei Düfte, zwei Lager.

Der Duft der Freiheit.
Er riecht nach Ozon kurz vor dem Gewitter. Nach kaltem Metall auf nackter Haut. Nach Salzgischt auf den Lippen, wenn du allein am Meer stehst.
Elektrisierend. Grenzenlos.
Und in seiner reinsten Form: abgrundtief einsam.
Die Kehrseite: Niemand ist da, um ihn mit dir zu riechen.

Der Duft der Sicherheit.
Er riecht nach frisch gebackenem Brot in einem warmen Raum. Nach dem Holz eines alten Tisches. Nach getrocknetem Lavendel zwischen den Seiten eines Buches.
Geborgen. Beständig.
Und in seiner reinsten Form: erstickend still.
Die Kehrseite: Die Fenster lassen sich nicht öffnen.


Zweiter Atemzug: Das Missverständnis.

Was, wenn wir uns verrannt haben?
Was, wenn der Liebhaber der Freiheit gar nicht das Alleinsein sucht,
sondern nur die Gewissheit, jeden Weg selbst wählen zu können?
Den Rausch, eine Wirkung zu hinterlassen in der Welt.
Nicht Leere, sondern: Selbstwirksamkeit.

Was, wenn der Hüter der Sicherheit gar nicht die verschlossenen Fenster will,
sondern nur den Raum schützen möchte, in dem etwas Wertvolles wachsen kann?
Die stille Sorge für das, was atmet.
Nicht Kontrolle, sondern: Verantwortung.

Beide riechen am falschen Flakon.
Sie kämpfen um den Duft – meinen aber die dahinterliegende Essenz.


Dritter Atemzug: Der dritte Duft.

Was geschieht, wenn die Hand, die den Weg wählt,
auch die ist, die das Brot bricht und teilt?

Was, wenn die Mauern, die schützen, plötzlich Türen haben –
die man von innen und außen öffnen kann?

Dann entsteht ein neuer Duft.

Er ist nicht mehr Ozon.
Nicht mehr Brot.

Er riecht wie Erde nach einem Sommerregen.
Wie warme Haut nach einer Umarmung.
Wie der Tee, den jemand für dich gekocht hat –
ohne dass du darum bitten musstest.

Es ist der Duft einer gewählten Beziehung.
Nicht co-dependent, aber: inter-dependent.

Ein Raum, in dem man atmen kann,
ohne den anderen zu verdrängen.
In dem etwas Drittes wächst – zwischen uns.

Etwas, das nicht frei ist.
Etwas, das nicht sicher ist.

Sondern einfach nur: echt.